Unterricht fällt aus – und niemand ist wirklich überrascht

Jede zwanzigste Unterrichtsstunde fällt in NRW ersatzlos aus. So steht es in der aktuellen Statistik zum Schuljahr 2024/25. Die Zahl klingt nüchtern, fast harmlos. Und doch weiß jeder, der Schule erlebt: Hinter dieser Zahl verbergen sich ausgefallene Stunden, zusammengelegte Klassen, Vertretungen ohne Fachbezug und Lernzeit, die unwiederbringlich verloren geht.

Die politische Debatte folgt einem bekannten Muster. Das Schulministerium verweist auf hohe Unterrichtsquoten, die Opposition auf geschönte Statistiken, Lehrkräfte auf Überlastung, Eltern auf Frust, Schülerinnen und Schüler auf Leerlauf. Und am Ende bleibt das Gefühl: Eigentlich wissen wir alle, dass es so nicht weitergehen kann – aber nichts ändert sich grundlegend.

Dabei liegt das Kernproblem nicht allein im Lehrkräftemangel.

Unterrichtsausfall ist ein Strukturproblem

Solange Unterrichtsausfall vor allem als individuelles Versagen einzelner Schulen oder Lehrkräfte betrachtet wird, bleibt jede Lösung oberflächlich. Krankheit, Fortbildungen, Prüfungen oder Klassenfahrten sind kein Ausnahmezustand – sie sind Teil des Schulalltags.

Ein System, das nur funktioniert, wenn niemand krank wird, ist kein belastbares System.

Stattdessen braucht es einen Perspektivwechsel: Unterrichtsausfall muss organisatorisch eingeplant und professionell abgefedert werden.

  1. Vertretung darf kein Zufallsprodukt sein

Noch immer hängt es an einzelnen Schulen, wie gut sie Ausfälle kompensieren können. Manche haben engagierte Kollegien, andere kämpfen täglich ums Minimum.

Ein Lösungsansatz wäre ein regional organisierter Vertretungspool:

qualifizierte Springerlehrkräfte

fest angestellt, nicht projektweise

flexibel einsetzbar über mehrere Schulen hinweg

So wird Vertretung planbar – und nicht zur täglichen Improvisationsübung.

  1. Nicht alles, was zählt, ist Unterricht

In der Statistik gilt vieles als erteilter Unterricht, was pädagogisch kaum tragfähig ist: reine Aufsicht, fachfremde Betreuung oder Arbeitsblätter ohne Einführung.

Hier braucht es Ehrlichkeit:

Unterricht ist mehr als Anwesenheit.

Ersatzformate müssen didaktisch vorbereitet sein.

Digitale Lernmodule, Lernbüros oder betreute Lernzeiten können sinnvoll sein – aber nur, wenn sie konzeptionell eingebettet sind.

Transparenz schafft Vertrauen. Schönrechnen zerstört es.

  1. Lehrkräfte entlasten – wirklich entlasten

Solange Lehrkräfte gleichzeitig unterrichten, verwalten, dokumentieren, digitalisieren, sozialpädagogisch auffangen und organisatorisch ausgleichen sollen, bleibt Unterrichtsausfall unausweichlich.

Mehr Unterrichtssicherheit bedeutet:

weniger Bürokratie

mehr Unterstützung durch multiprofessionelle Teams

klare Zuständigkeiten außerhalb des Unterrichts

Wer Lehrkräfte dauerhaft überlastet, produziert zwangsläufig mehr Ausfälle.

Fazit: Verlässlichkeit ist eine Frage des Systems

Unterrichtsausfall wird es immer geben. Die entscheidende Frage ist nicht, ob er entsteht, sondern wie professionell ein System damit umgeht.

Ein Bildungssystem zeigt seine Qualität nicht in Idealwochen – sondern im Krankheitsfall.

Wenn Politik den Mut hat, Strukturen zu verändern statt Statistiken zu verteidigen, kann Unterricht wieder verlässlicher werden. Nicht perfekt. Aber ehrlich. Und das wäre ein Fortschritt.

https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/unterrichtsausfall-schuljahr-2024-2025-100.html

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